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Systemischer Praxisimpuls „Wünsche sind Vorboten von Fähigkeiten“

„Unsere Wünsche sind Vorgefühle der Fähigkeiten, die in uns liegen, Vorboten desjenigen, was wir zu leisten imstande sein werden. Was wir können und möchten, stellt sich unserer Einbildungskraft außer uns und in der Zukunft dar; wir fühlen eine Sehnsucht nach dem, was wir schon im Stillen besitzen. So verwandelt ein leidenschaftliches Vorausergreifen das wahrhaft Mögliche in ein erträumtes Wirkliches.“
Johann Wolfgang von Goethe

Wünsche als Wegweiser: Die Rolle von Visionen und Fähigkeiten im systemischen Arbeiten

Mit einem tiefgründigen Gedanken von Johann Wolfgang von Goethe wird unmittelbar die Beziehung zwischen unseren Wünschen und unserem Potenzial unterstrichen: „Was immer du tun kannst oder wovon du träumst – beginne es. Mut hat Genie, Kraft und Zauber in sich.“

Im Rahmen des systemischen Arbeitens nehmen Wünsche eine zentrale Rolle ein, da sie eine Verbindung zwischen Visionen und Träumen herstellen und den Zugang zu unseren – oft unentdeckten – Fähigkeiten eröffnen.

Die Kraft der Wünsche und Visionen

Wünsche sind nicht nur bloße Fantasien; vielmehr dienen sie als klare Wegweiser, die uns unsere Lebensziele vor Augen führen. So können Wünsche, Träume und Visionen wie Leuchttürme im Leben stehen. In der systemischen Beratung fungieren Wünsche als Ausgangspunkt, um Visionen zu entwickeln, die Kund*innen inspirieren und aktivieren. Diese Visionen wirken wie ein Leitfaden, der dabei hilft, bedeutungsvolle und erstrebenswerte Ziele zu identifizieren, die eine starke Anziehungskraft erzeugen.

Die bewusste Formulierung von Wünschen ermöglicht fundiertere Entscheidungen und zeigt die notwendigen Kompetenzen sowie Ressourcen auf, die für deren Erreichung mobilisiert werden können. Eine Grundlage des systemischen Ansatzes ist die sogenannte Potenzialhypothese: Jeder Mensch trägt die Fähigkeiten in sich, sein Leben aktiv zu gestalten und psychosoziale Herausforderungen zu meistern. Im Dialog mit den Kund*innen werden deren bereits vorhandene Ressourcen aufgespürt und bewusst gemacht. Auf diese Weise wird implizites Wissen in explizites Wissen überführt, das gezielt genutzt werden kann.

Bei diesem Prozess spielt das gezielte Nachfragen eine tragende Rolle: Schlüsselwörter werden aufgegriffen, Selbstverständliches wird hinterfragt und bewusst gemacht. Dies verstärkt bei den Kund*innen ein Gefühl von Klarheit und Kontrolle über ihre eigenen Fähigkeiten.

Anwendung in der systemischen Beratung

Ein zentraler Fokus in der systemischen und lösungsorientierten Beratung liegt darauf, Kund*innen zu ermutigen, sich auf ihre Zukunft zu konzentrieren. Der Beratungsprozess unterstützt sie dabei, positive und zugleich realistische Visionen für ihre Zukunft zu entwickeln, die intrinsische Motivation fördern – eine wesentliche Voraussetzung, um proaktiv an der Verwirklichung eigener Wünsche und Ziele zu arbeiten.

Ein wirksames Instrument in diesem Zusammenhang ist die sogenannte Wunderfrage, welche die Möglichkeit eröffnet, eine veränderte Wirklichkeitskonstruktion zu explorieren:

„Einmal angenommen, über Nacht geschieht ein Wunder und die Probleme, die Sie hierhergeführt haben, sind einfach gelöst. Da Sie schlafen, bemerken Sie nichts davon. Was wäre am nächsten Morgen ein erstes kleines Zeichen dafür, dass etwas anders ist und ein Wunder geschehen ist?“

 

Diese Frage regt dazu an, sich intensiv mit der Vorstellung einer veränderten Wirklichkeit auseinanderzusetzen und neue Perspektiven zu entwickeln.

Ähnlich wie die Wunderfrage bieten auch hypothetische Szenarien hilfreiche Impulse, um alternative Wirklichkeitskonstruktionen zu durchdenken:

  • „Angenommen, Sie erreichen ein bestimmtes Ziel: Was verändert sich dadurch, und wie würden Sie sich dann verhalten?“
  • „Nehmen wir an, Sie hätten bereits ein höheres Maß an Selbstbewusstsein entwickelt: Wie würde sich dies in der Beziehung zu Ihrer Chefin äußern? Was würden Sie anders machen?“

Diese hypothetischen Ansätze fördern die Entwicklung neuer Perspektiven und die Erarbeitung möglicher Lösungsansätze.

Ein Prozess der Aktivierung und Umsetzung

Das zentrale Ziel der systemischen Beratung ist es, Kund*innen in Kontakt mit ihren eigenen Ressourcen, Fähigkeiten und Kompetenzen zu bringen. Dabei wird eine Atmosphäre der Sicherheit und Wertschätzung geschaffen, die es ihnen ermöglicht, ihre Wünsche und Träume offen zu teilen und Pläne zu schmieden, wie diese in die Realität umgesetzt werden können.

Fragen wie „Wie haben Sie das geschafft?“, „Was würden Sie dann genau tun?“, „Wie haben Sie es damals schon geschafft?“ oder „Was ist Ihr persönliches Geheimnis?“ helfen, bisher unbewusste Fähigkeiten hervorzuheben und explizit zu formulieren. Durch die bewusste Reflexion vertrauter Handlungsmuster lassen sich diese in einzelne Schritte unterteilen, konkretisieren und verständlich machen.

Ein weiterer hilfreicher Ansatz könnte sein: „Wenn ich von Ihnen lernen könnte, wie dies funktioniert, was müsste ich genau tun?“ Solche Fragen regen dazu an, individuelle Kompetenzen in konkrete Handlungsschritte umzuwandeln – Schritte, die nicht nur reproduzierbar, sondern auch vermittelbar sind.

 

Das Fazit: Wünsche als Impulsgeber für Veränderung

Goethes Worte erinnern uns daran, in der Kurzform „Wünsche sind Vorboten von Fähigkeiten“, dass das Streben nach Veränderung stets der erste Schritt zur Entfaltung unseres Potenzials ist. Wünsche fungieren als Samen, aus denen durch systematische Förderung und bewusste Arbeit Fähigkeiten erwachsen können.

Indem wir Wünsche als Wegweiser verstehen und eine unterstützende Umgebung schaffen, in der Kund*innen ihre Visionen entwickeln können, öffnet sich ein Raum für Zusammenarbeit und Wachstum, in dem Veränderung auf allen Ebenen möglich wird.

Wünsche haben in einer von Unsicherheit und Zweifeln geprägten Welt eine besondere Bedeutung: Sie wirken wie ein Anker, der Orientierung gibt. Die gemeinsame Exploration von Wünschen und die gezielte Aktivierung essenzieller Fähigkeiten zur Verwirklichung dieser Träume eröffnen nicht nur inspirierende Möglichkeiten für die Kund*innen, sondern erweitern auch unser Verständnis für das menschliche Potenzial und dessen grenzenlose Möglichkeiten.

 

Systemischer Praxisimpuls „Freiheit und Wachstum“

„Zwischen Reiz und Reaktion gibt es einen Raum. In diesem Raum haben wir die Freiheit und die Macht, unsere Reaktion zu wählen. In unserer Reaktion liegen unser Wachstum und unsere Freiheit.“

Stephen R. Covey

Der Raum zwischen Reiz und Reaktion: Freiheit und Wachstum

Dieses Zitat vermittelt eine grundlegende Annahme des systemischen Arbeitens. Unser Ziel ist es, Möglichkeitsräume zu schaffen und die Freiheitsgrade zu erweitern, damit unsere Kund*innen neue Optionen erhalten.

Selbstwirksamkeit fördern: Die Rolle von Handlungsspielräumen

Systemisches Arbeiten zielt darauf ab, unserem Gegenüber neue Handlungsspielräume zu eröffnen und die Möglichkeit zu bieten, sich anders zu verhalten. In diesem Kontext eignet sich das Zitat hervorragend als Leitmotiv für unsere systemische Praxis, um die Selbstwirksamkeit der Kund*innen zu fördern.

Veränderung als Potenzial: Glaubenssätze und Perspektiven hinterfragen

Im Mittelpunkt der systemischen Therapie und Beratung steht die Überzeugung, dass jeder Mensch die Fähigkeit hat, Veränderungen herbeizuführen und das Potenzial dazu in sich trägt. Es geht darum, Glaubenssätze und Wahrnehmungen zu hinterfragen, um neue Perspektiven sowie Handlungsmöglichkeiten zu entdecken. Der Möglichkeitsraum ist der Ort, an dem Selbstwirksamkeit und Kreativität gedeihen können, und die Kund*in wird als aktive Gestalter*in ihres Lebens wahrgenommen.

Zielorientierte Auftragsklärung: Eine gemeinsame Vision entwickeln

Dieser Raum lässt sich auch als Gestaltungsraum oder Möglichkeitsraum verstehen. Hier setzt das systemische Arbeiten an. Bei der Auftragsklärung klären wir, wohin sich unsere Kund*innen entwickeln wollen und welche Veränderungen sie anstreben: „Was wäre ein gutes Ergebnis unserer Zusammenarbeit?“ und „Was sollte am Ende der Beratung anders sein?“ Durch gezielte Fragen und aktives Zuhören unterstützen wir die Klärung der Ziele und die Entfaltung der Zukunftsvision der Kund*in. So entsteht eine ansprechende Zukunft – ein motivierender Gestaltungsraum, in dem die Kund*in nicht nur ihre Probleme thematisieren, sondern auch ihre Fähigkeit zur Veränderung weiterentwickeln können.

Fragen als Schlüssel zum Wandel: Strategien zur Exploration

Während der Bearbeitung des Anliegens achten wir darauf, diesen Raum weiter zu öffnen. Durch Fragen nach Ausnahmen („Wann war das Problem schon einmal weniger oder gar nicht präsent?“), zirkulären Fragen (Einladung zum Perspektivwechsel: „Wer in Ihrem Umfeld hat bereits bemerkt, dass Sie das gewünschte Verhalten zeigen und was hat sie wahrgenommen?“) und hypothetische Fragen („Angenommen, Sie würden diese Schritte gehen, welche Auswirkungen hätte das auf Sie und Ihr Umfeld?“) regen wir dazu an, den Möglichkeitsraum zu erkunden und Schritt für Schritt Veränderung zugänglich zu machen.

So kann eine interessante Reise der Veränderung entstehen und wie bei einem Dominospiel, kann eine kleine Veränderung eine ganze Serie von weiteren Veränderungen anstoßen.

 

PS: Das Zitat wird häufig Viktor Frankl zugeschrieben, doch es gibt Hinweise darauf, dass es fälschlicherweise ihm zugeordnet wird und tatsächlich von Stephen R. Covey stammt. Weitere Informationen finden Sie hier.

Tante Emma und der Marmorkuchen – Veränderungen während der Systemischen Weiterbildung

Am Ende unserer Weiterbildung Systemische Beratung präsentieren die Teilnehmer*innen ihre Erfahrungen, ihre Veränderungen und Erkenntnisse aus zwei Jahren Weiterbildung in unterschiedlichen (kreativen) Formen. In diesem Video skizziert eine Teilnehmerin, was sich bei ihr im Laufe der Systemischen Weiterbildung verändert hat. Weiterlesen

Neues Buch: Hypnosystemisch arbeiten: Ein kleiner Praxisleitfaden

Wir freuen uns, dass wir ein weiteres Buch aus unserem Team vorstellen können:

In der Beratung schnell und nachhaltig Veränderungen zu unterstützen ist mit hypnosystemischen Methoden oft einfacher als gedacht. Welche es gibt und wie die eigene Beratungs- und Therapiepraxis bereichert werden kann, stellen Cordula Meyer-Erben und Ute Zander-Schreindorfer in diesem übersichtlichen und leicht lesbaren Praxisleitfaden vor.

Neben einem allgemeinen Kapitel zu Grundprinzipien des hypnosystemischen Vorgehens konzentrieren sich die beiden Autorinnen auf den hypnosystemischen Umgang mit Sprache, mit Veränderungsmotivation, bzw. Embodiment und praktischen Anleitungen zur Selbsthypnose. Das Buch wird durch Audio-Dateien ergänzt, die sofort für Klient*innen und Berater*innen/Therapeut*innen anwendbar sind.

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Maria löst ein Problem – Erklärvideo zur Weiterbildung Systemische Beratung

Am Ende unserer Weiterbildung Systemische Beratung präsentieren die Teilnehmer*innen ihre Erfahrungen, ihre Veränderungen und Erkenntnisse aus zwei Jahren Weiterbildung in unterschiedlichen (kreativen) Formen. Maria M. hat die Weiterbildung in unserem Tagesblockkurs abgeschlossen.  Sie veranschaulicht in einem Erklärvideo die Veränderungen in ihrer Haltung, ihrem Vorgehen und ihrer Sichtweise gegenüber ihrer Arbeit und ihrem Klientel. Weiterlesen

Systemischer Spickzettel – Auftragsklärung

Beim Systemischen Spickzettel geht es darum, wichtige Aspekte vom systemischen Arbeiten für die Praxis in Erinnerung zu rufen.

Die Auftragsklärung ist in meinen Augen eine wesentliche Basis für das systemische Arbeiten. In diesem Video habe ich einmal wichtige Punkte zusammengefasst, die sich über die Jahre in meiner Systemischen Praxis und in der Ausbildung von Systemischen Berater*innen bewährt haben.

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Eigenschaften istob-Zentrum

Regelmäßig holen wir von unseren Teilnehmer*innen aus unseren Weiterbildungen ein Feedback ein. Dieses Feedback ist uns sehr wichtig und unsere Konzepte und Didaktik entwickelt sich durch diese Impulse immer weiter. Eine Frage, die wir immer stellen ist: „Nenne drei Eigenschaften für das istob Zentrum!“ Hier haben wir die Ergebnisse aus den letzten Jahren visualisiert dargestellt. […]

istob – Newsletter 02/2021

Liebe Freunde und Freundinnen des istob-Zentrums,
liebe Interessent*innen unseres systemischen Weiterbildungsangebots

das istob-Zentrum wird dieses Jahr 30 Jahre alt! Wir sind stolz, die systemische Weiterbildungsszene in München und Oberbayern schon so lange mitzugestalten. Nach wie vor sind wir mit Herzblut dabei und das verdanken wir auch Ihnen – unseren treuen Kundinnen und Kunden. Auch wir verändern uns: im Februar haben wir den Staffelstab im Vorstand weitergegeben. Nun führt Bernd Neuhoff die geschäftsführenden Angelegenheiten im Vorstand und wird von Jürgen Dahlhausen und Markus Zechmeister kompetent unterstützt. Wir bedanken uns für die Unterstützung unserer ehemaligen Geschäftsführerinnen und Mitglieder im Vorstand Cordula Meyer-Erben und Ute Zander-Schreindorfer. Im Sekretariat haben sich Josi Trenkler und Jessica Westermayr gut eingearbeitet und kümmern sich um alles Organisatorische im Back Office. Natürlich hoffen wir, so bald wie möglich wieder „aufmachen“ zu dürfen, aber noch erlauben die Infektionszahlen keinen Live-Betrieb. Bleiben Sie mit uns auf Linkedin und Xing im Kontakt, dort erfahren Sie, wann wir uns wieder persönlich in der Brahmsstraße treffen können.

Ein Lesetipp zum Schluss: unsere Kollegin Ute Zander-Schreindorfer hat ein neues Buch herausgebracht: Das „Praxisbuch Systemisches Gesundheitscoaching“ ist gerade im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht erschienen.

Wir wünschen allen Kunden und Teilnehmer*innen gute Erkenntnisse und Lernergebnisse bei unseren Veranstaltungen und freuen uns auf Ihre Teilnahme.

Herzliche Grüße
Jürgen Dahlhausen, Marcus Bauer, Sabrina Courtial, Markus Zechmeister, Cordula Meyer-Erben,  Bernd Neuhoff und Ute Zander-Schreindorfer

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